Von Dorlisheim nach Barr (16. Juli 2022)
Gut geschlafen und erholt, das ist das Fazit der vergangenen Nacht. Aufgewacht bin ich auch erst um 6:15 Uhr, also für meine Verhältnisse auf dieser Pilgertour recht spät. Ab 7:30 Uhr gibt es Frühstück, typisch französisch, was ich aber nicht abwertend meine. Es gibt ein halbes Baguette und ein Schokocroissant, dazu Marmelade, Kompott und Frischkäse. Im Anschluss mache ich mich in Ruhe fertig und bin mit kleinem Gepäck nach zehn Minuten am Bahnhof. Eigentlich wollte ich den kleinen, faltbaren Rucksack von Susanne mitführen, der liegt aber nicht besonders gut am Rücken. Deshalb nehme ich meinen gewohnten Rucksack, aus dem ich alles Unnötige entfernt habe. Pünktlich um 8:41 Uhr fahre ich mit der Bahn nach Dorlisheim und starte die heutige Etappe.
Ab Bahnhof laufe ich einmal quer durch den Ort, an der verschlossenen evangelischen Kirche St. Laurent vorbei in die Weinberge. Auf der Straße ist mehrfach "17%" aufgemalt, ich gehe davon aus, dabei handelt es sich um den Steigungsgrad auf diesem Abschnitt. Auf der Kuppe angekommen, ist der Mont Saint-Odile bereits in der Ferne erkennbar. Das nächste Örtchen ist Rosheim, das einiges für das Auge zu bieten hat. Vor allem die romanische Kirche St. Peter und Paul aus dem 12. Jahrhundert, in der es sogar in einem Kästchen einen Pilgerstempel gibt. Ein älterer Herr kommt mir kurz ins Gespräch, dabei stellt sich heraus, dass er besser Deutsch spricht als ich Französisch. Im Übrigen wird am 29. Juli Rosheim Zielort der 6. Etappe der Tour de France der Frauen sein. Am Weg liegt auch noch die Église St. Etienne, die ich auch noch kurz aufsuche.
Auf einem asphaltierten Fahrradweg begebe ich mich nach Boersch, allerdings muss ich irgendwo einen Abzweig verpasst haben, denn ich befinde mich laut meiner digitalen Karten einiges vom durch den Weinberg führenden Jakobsweg entfernt. Ich komme aber trotzdem wieder auf den Weg durch das malerische Dorf. Kurz darauf verlaufe ich mich erneut, dieses Mal in Ottrott. Dafür kann ich mir die sehenswerte Église Saint Nicolas aus dem 12. Jahrhundert anschauen. Ab hier beginnt der Anstieg zum Mont Sainte-Odile. Auf einem Schild wird der Weg mit neunzig Minuten angegeben, ich schaffe das ohne große Anstrengung in der Hälfte der Zeit. Man muss hier sehr aufmerksam sein, denn die Strecke ist oft mit grobem Gestein übersät. Gegen 13 Uhr erreiche ich den "Gipfel", bis dahin habe ich auf 5 Kilometern rund 500 Höhenmeter überwunden. Von hier oben hat man einen tollen Ausblick in das Flachland.
Ich mache einen Rundgang durch das im 7. Jahrhundert von der heutigen Landesheiligen des Elsass, Saint Odile, gegründete Kloster Hohenburg. Leider sind die ältesten Teile, die beiden Kapellen aus dem 12. Jahrhundert, wegen Renovierung geschlossen. Aber auch die von Papst Benedikt zur Basilika minor erhobene Klosterkirche hat ihren Charme. In einer Seitenkapelle befindet sich der Sarkophag der Ordensgründerin. Wieder auf dem Vorplatz des Klosters angelangt, esse ich ein Sandwich und trinke standesgemäß ein Bier Saint Odile. Bevor es weitergeht, muss ich meine Uhr auf dem WC aufladen, da ich wohl in den letzten Tagen meine Powerbank zu stark beansprucht habe, ohne es zu bemerken.
Der Abstieg nach Barr erfordert Konzentration, auch hier geht es teilweise über leichtes Geröll, auf dem ich zweimal etwas wegrutsche. Zunächst will ich einen Schritt zulegen, um den Zug nach Obernai um 16 Uhr zu erreichen. Doch ich merke sehr schnell, dass es keinen Sinn macht und gehe einfach normal weiter. Um 17:03 Uhr gibt es eine weitere Verbindung. Unterwegs verpasse ich wieder einen Abzweig und bekomme dadurch ein paar zusätzliche Meter auf den Tacho. Zum Glück kontrolliere ich jetzt regelmäßig die Route und hoffe, dass ich keine weiteren Umwege mehr mitnehme. Ich erreiche Barr an der protestantischen Église St. Martin, in der gerade eine Hochzeit stattfindet. Das hübsch geschmückte Städtchen muss einmal durchquert werden. Gegen 16:35 Uhr treffe ich am Bahnhof ein, wo bereits ein Zug wartet. Inzwischen löse ich mein Ticket und merke erst danach, dass ich Start und Ziel vertauscht habe und damit die Abfahrtszeit deutlich später ist als geplant. Ein Blick auf die Bahnsteiganzeige und mir wird klar, dass der wartende Zug bereits der meinige ist. Heute ist aber auch viel anders gelaufen und trotzdem habe ich keinen Grund zur Klage.
In Obernai angekommen, mache ich einen kleinen Umweg zum Netto, um dort eine Rarität für meinen Sohn einzukaufen: Königsbacher in der Dose, gibt es in Deutschland anscheinend nicht. Heute Abend wird es in der Stadt wo etwas lauter, denn auf dem Marktplatz wurde eine Bühne aufgebaut und es stehen schon diverse Instrumente parat. Gegen 17:45 Uhr treffe ich im Hotel ein und kümmere mich um Wäsche und Körper. Für 19:00 Uhr habe ich einen Tisch reserviert, heute Abend gibt es noch einmal original Elsässer Flammkuchen.
Diese Etappe ist ein Abschnitt meiner Pilgertour auf dem Badischen, Kinzigtäler und Elsässer Jakosbweg von Lichtental nach Sélestat im Juli 2022.